Ein vertrauliches Gespräch
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Eminenz, es ist mir eine Freude, Sie empfangen zu dürfen. -
Vielen Dank, dass Sie mir gestatten, Sie so kurzfristig zu überfallen. Ich hätte mich ja schriftlich aus Albernia angekündigt, aber diese Angelegenheit bedarf einer besonderen Diskretion und ich ziehe es daher vor, Sie persönlich ins Bild zu setzen.
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No hay problema, Eminencia. Was kann ich für Sie tun? -
Ich beabsichtige, bei Ihrer Kommission ein Seligsprechungsverfahren für unseren verstorbenen Papst Linus III. zu beantragen. Dieses Seligsprechungsverfahren ist ein wichtiges Anliegen meiner Kirchenprovinz, da Papst Linus ja auf den albernischen Fawkland-Inseln geboren wurde und in Eihlann aufgewachsen ist. Deswegen geht mein Ordinariat seit dem Tod von Papst Linus jedem Hinweis auf ein Wunder in Verbindung mit ihm nach.
Es gestaltet sich nun so, dass wir authentische Berichte über eine Wunderheilung erhalten haben, allerdings vom renzianischen Kontinent. Und in Anbetracht der Tatsache, dass unsere Kirche in Chinopien verboten ist, erscheint es mir zum Schutz der Zeugen des Wunders wichtig, diese Angelegenheit sehr vertraulich zu behandeln. Sie verstehen, dass ich deswegen noch nicht förmlich um die Eröffnung des Verfahrens gebeten habe und zunächst einen Weg suche, dieses Wunder ohne Beteiligung der Öffentlichkeit zu überprüfen?
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Si, Eminencia, natürlich. Eine Gefährdung liegt im Interesse von niemandem - das wird es aber erschweren, Ermittlungen durchzuführen. -
Wir brauchen jemanden, der inkognito nach Chinopien reist. Der Heilige Vater ist persönlich an dem Verfahren interessiert und bittet uns deswegen, zusammen mit dem Leiter unseres Geheimdienstes morgen in den Apostolischen Palast, um genau diese Frage zu besprechen. Das ist der zweite Grund, warum ich heute hier bin, um Sie über diesen Termin in Kenntnis zu setzen.
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Ich muss zugeben, Eminenz, damit habe ich nun nicht gerechnet. Ich weiß gar nicht so recht, was ich dazu jetzt sagen soll... -
Naja, konkrete Pläne gibt es ja noch nicht, deswegen müssen wir morgen mal besprechen, welche Möglichkeiten wir überhaupt haben. Ich habe schon angeboten, selbst nach Chinopien zu reisen.
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Meinen Sie nicht, Eminenz, dass Sie zu bekannt als katholischer Würdenträger sind?
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Die Frage ist, ob wir überhaupt in der Lage sind, völlig unerkannt in das Land einzureisen. Vielleicht sollte stattdessen wenigstens einer der Reisenden völlig offen in das Land einreisen, und könnte dann gegebenenfalls Rechte aus der diplomatischen Immunität nutzen.
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Ich sitze nicht im Staatssekretariat, Eminenz, sondern befasse mich mit den Heiligen unserer Kirche, von daher korrigieren Sie mich bitte, wenn ich irre, aber Chinopien scheint mir nicht gerade offen für unsere Mutter Kirche, eher im Gegenteil. Meinen Sie denn wirklich, dass Sie einen Abgesandten des Heiligen Stuhls als Diplomaten anerkennen?
Ich hörte von Astor, dort hat man den Nuntius wohl angeblich fälschlich als Botschafter Valsantos akkreditiert, aber auch das hielte ich für unmöglich in Chinopien. -
Naja, Chinopien ist nicht Xinhai oder Sunya, sondern ein grundsätzliches eher offenes Land; ich sehe das nicht ganz so schwarz. Natürlich müssen wir alle Möglichkeiten abwägen. Die nächste Option wäre, mit valsantinischem Pass und Touristen-Visum einzureisen, und eine Pilgerreise entlang der ursprünglichen Chinopien-Reise des Erzbischofs Hallberg vorzugeben. Kombiniert mit Agenten, die unter falschem Pass einreisen, wäre auch eine Möglichkeit.
Das prinzipielle Problem ist, beziehungsweise das unterliegt vor allem Ihrer Expertise, dass ein Bischof das Wunder untersuchen muss - das kann nicht Laien überlassen werden. Unsere Bischöfe sind aber zu bekannt, um das Risiko einzugehen, mit falschem Pass einzureisen.
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Wie gefährlich muss ich mir das tatsächlich vorstellen, Eminenz?
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Ich gehe ehrlich gesagt nicht davon aus, dass es für einen valsantinischen Staatsbürger gefährlich ist. Nach Chinopien zu reisen, Dörfer im Land zu besuchen und mit Menschen zu sprechen ist ja nicht verboten. Ich sorge mich in der Tat mehr um die Mitglieder unserer Untergrundgemeinden dort, die durch unsere Anwesenheit verraten werden könnten. Nichtsdestotrotz sollten auf jeden Fall Agenten mitreisen, auch zum leiblichen Schutz. Was dort Möglichkeiten und sinnvolle Maßnahmen sind, kann ich selbst aber nicht beurteilen.
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Wie bekannt ist mein Hintergrund Ihnen, Eminenz?
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Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen?
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Ich denke, dann werde ich diesen Teil der Überlegungen mit dem Heiligen Vater oder mit dem Großinquisitor besprechen, das würde jetzt hier zu weit führen. -
Einverstanden. Sie kommen dann morgen zu unserer kleinen Konferenz in den Apostolischen Palast? Ich bringe dann auch die Unterlagen für das formelle Kanonisierungsverfahren mit.
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Natürlich, Eminenz. Ich darf - ohne Vorwegnahme der Prüfung selbst, versteht sich - sagen, dass es mir eine große Freude wäre, das Verfahren erfolgreich abzuschließen.